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Internet - Zukunftsperspektiven deutscher Verlage
Mit einer klaren Strategie zur Eigenpositionierung, einer
präzisen Ausrichtung auf Kundenbedürfnisse sowie geschickter
Markennutzung können Verlage die Herausforderungen des digitalen
Zeitalters bewältigen. Vor dem Hintergrund schwindender Einnahmen aus
dem Print-Bereich kommt es dabei vor allem auf Konzeption und
Integration ergänzender Online-Angebote an, die maßgeblich zur
Wertschöpfung beitragen - durch Online-Werbeerlöse oder
kostenpflichtigen Content.
Eine Deloitte-Befragung unter 40
Entscheidungsträgern führender Verlagshäuser ergab, dass nahezu jeder
Verlag über eine digitale Strategie verfügt. Umfang und Reifegrad
indes unterscheiden sich erheblich. Vor allem die Zeitungsverlage
haben sich bei der Digitalisierung als Schrittmacher der Branche
erweisen - sind dabei aber besonders auf innovative Strategien
angewiesen, denn im Unterschied zu Fachverlagen können sie ihre
bisherigen Geschäftsmodelle kaum in ein digitales Format
konvertieren.
Finanzierung: kostenpflichtige Inhalte nur bei Fach- und
Buchverlagen durchsetzbar "Den digitalen Zug zu verpassen, kann sich
heute kein Verlag mehr leisten. Allerdings hat unsere Befragung
gezeigt, dass der Online-Geschäftsbereich bislang erst für wenige
Verlage umsatzstark oder gar gewinnbringend ist", erklärt Klaus Böhm,
Senior Manager Media bei Deloitte. Zu diesen wenigen gehören die
Fachverlage: Ihnen ist es gelungen, Gewinne über digitale
Vertriebsformen zu erwirtschaften. Ausschlaggebend dafür ist unter
anderem die Tatsache, dass sie ihre Kunden direkt ansprechen und
diesen ein Kontaktforum bieten. Zudem ist ihr Publikum eher bereit,
Geld für exklusive Inhalte zu bezahlen. Genau wie bei Buchverlagen
ist der Kunde hier in viel größerem Maß an den jeweiligen Inhalten
interessiert oder sogar darauf angewiesen, entsprechend gestaltet
sich seine Zahlungsbereitschaft. Im Unterschied dazu müssen sich die
Publikumsverlage nahezu ausschließlich auf Einnahmen aus
Online-Werbung konzentrieren, während die eigentlichen Inhalte
kostenfrei bleiben. Insgesamt, so zeigt die Umfrage, fällt es
Nischenanbietern leichter, adäquate Konzepte und Angebote zu
erarbeiten. Publikumsverlage tun sich hingegen deutlich schwerer,
digitale Formate zu etablieren und attraktive Werbeumsätze - ihre
einzige wirkliche Einnahmequelle im Online-Bereich - zu erzielen.
Online-Bereich gewinnt generell an Gewicht Alle befragten Verlage
haben Strategien für die Digitalisierung entwickelt - allerdings
unterscheiden sich diese stark: So wandeln sich einige Verlage zu
plattformübergreifenden Medienhäusern, andere nutzen das Internet
hauptsächlich als Vertriebsweg ihrer Offline-Produkte. Jene, die den
Online-Bereich für Inhalte nutzen, differieren noch weiter: Während
die einen dem Internet-Auftritt Priorität einräumen, indem sie
aktuelle Inhalte zuerst online anbieten, setzen andere auf
Diversifizierung und versuchen, online mit neuen Marken neue
Geschäftsmodelle aufzubauen. Als Vorreiter bei der Digitalisierung
und Diversifizierung haben sich Zeitungsverlage profiliert.
Buchverlage hingegen können ihr Kernprodukt kaum auf digitale
Bereiche erweitern. Der Umbruch ist noch voll im Gange, so dass die
digitalen Strategien nahezu aller Anbieter bislang kaum in konkrete
Zielsysteme übersetzt wurden - häufig fehlen online-spezifische
Umsatzziele.
Die Gewinnung von Neukunden über den digitalen Kanal steht bei
allen Befragten im Zentrum. Auch Kostenoptimierung und Technologie,
insbesondere Customer Relationship Management, spielen eine
entscheidende Rolle. Doch gibt es hier ebenfalls deutliche Lücken,
die vor allem auf fehlende gemeinsame Online- und Offline-Datenbanken
und eine mangelhafte Datenverfügbarkeit zurückzuführen sind.
Plattformübergreifende Redaktion vs. getrennte Redaktionen Der
Vormarsch des digitalen Bereichs spiegelt sich nicht zuletzt in der
Organisation wider - hier begegnen sich Online- und Printredaktionen
zunehmend auf Augenhöhe. Dabei existieren zwei Ansätze: Dort, wo der
Online-Bereich bereits Priorität genießt, arbeiten die Verlage mit
plattformneutralen Redaktionen, die Übrigen tendieren eher zum Ausbau
ihrer Online-Redaktionen. Zudem ist eine klare
Zentralisierungstendenz bei der Werbevermarktung zu erkennen, wobei
im Augenblick etwa die Hälfte der Verlage ihre Online-Vermarktung
noch separat betreibt.
Fünf Erfolgskriterien
"Aus der Befragung lassen sich fünf zentrale Kriterien ableiten,
die über Erfolg und Misserfolg der digitalen Geschäftsfelder
entscheiden", resümiert Böhm. Hierzu gehört zunächst eine Strategie
mit klarer Zielsetzung, die den Mehrwert sämtlicher Online- und
Offline-Dienstleistungsangebote berücksichtigt. Wichtig ist zum einen
Flexibilität, damit die Strategie im Bedarfsfall schnell an neue
Technologien und Entwicklungen angepasst werden kann. Zum anderen
sollten digitale und analoge Angebote für den Kunden klar erkennbar
definiert und voneinander abgegrenzt werden. Das zweite Kriterium ist
ein innovationsfreundliches Klima, das auch auf organisatorischer
Ebene gewährleistet, dass technologische Entwicklungen zeitnah
einbezogen werden. Die Bildung integrierter Redaktionen und neuer
Organisationseinheiten kann hierzu entscheidend beitragen. Drittens
ist ein detailliertes und tiefes Kundenverständnis essentiell. Auch
Kriterium Nummer vier zielt mit der Realisierung personalisierter
Angebote darauf ab. Zuletzt kommt der optimale Markeneinsatz, denn
die Marke ist das Kapital, mit dem sich neue Geschäftsfelder
erfolgreich erschließen lassen - die Nähe zur Markenidentität sollte
jederzeit gegeben sein, um eine Markenverwässerung zu vermeiden.
"Ein Blick nach Großbritannien, wo die Integration bereits weiter
fortgeschritten ist, zeigt: Verlage können mit ihren digitalen
Geschäftsbereichen nennenswerte Umsätze erzielen. Sie liegen hier im
Schnitt bei 17 Prozent, in Deutschland hingegen erst bei knapp sieben
Prozent. Auch muss es keineswegs zu Kannibalisierungseffekten
zwischen Online- und Offline-Werbeausgaben kommen - wie das britische
Beispiel beweist", so Böhm.
Deloitte